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So nah kommen wir uns so schnell nicht wieder, also der Mond und die SRG. Bei der Mondscheinfahrt am 1. August hat der Erdtrabant zunächst auf sich warten lassen – und hat dann auf ganz besondere Weise entschädigt.
Dabei schien es zum Auftakt am Bootshaus zunächst, als würden wir uns in einer Debatte über die Zuverlässigkeit von Wetterapps und die Tendenz zur Schönwetter-Ruderei verlieren. Zum Glück kam es dann doch zum Äußersten und die Südwind, die Lieps und die Burgsee gingen mit elf Vollmondruderinnen und -ruderern aufs Wasser Richtung Reppiner Burg. Der geklinkerte Turm leuchtete in der Abendsonne und wies den Weg – und diese Szenerie schien den Eindruck zu erwecken, ein weiterer sonniger Sommertag würden seinem von Grillenzirpen erfüllten Ende entgegen gehen – so, als hätte es die satten Regenfälle der vergangenen Sommertage gar nicht gegeben.
Strömung, ruderisches Können und die Hoffnung auf ein Monderlebnis ließen uns wie Pfeile auf dem Weg ins Schwarze über den Innensee zischen. Weil der Sommer 2023 in MV nun mal so ist, wie er ist, offenbarte sich am Strand unterhalb der Reppiner Burg ein angenehmer Nebeneffekt: Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatten wir bei der Ankunft Wiese, Wellen und Wind ganz für uns allein.
Auf der SRG-blauen Picknickdecke entfaltete sich ein Wanderfahrten-Buffet der Extraklasse – zum Beispiel mit Bratwerk aus der eigenen Klops-Manufaktur. Wobei: „Klops“, das klingt so profan. Manfred bevorzugt den Begriff „Fleischpflanzerl“ – und das ist natürlich gerechtfertigt. Brot, Dipp, Tomaten und Brombeeren aus eigener Ernte und noch viel mehr leuchteten in der milden Abendsonne, währen die Silhouette aus Schloss und Dom am fernen Westufer einen Vorgeschmack darauf gab, was es an optischen Highlights zu erwarten geben dürfte. Unter dunklen Wolkenmonstern schimmerten tieforange Sonnenstrahlen zu uns hinüber.
Fast wäre es wieder passiert und wir wären in einer Diskussion versackt, ob gleich das schlimmste Unwetter aller Zeiten über uns hereinbrechen würde – oder ob die Wolke einfach ihrem einmal eingeschlagenen Weg folgt und einfach weiter weit von uns weg nach Bad Kleinen ziehen würde. Es wird deutlich: SRG-Ruderer messen den Angaben aus Wetterapps und Regenradar-Angeboten eine wesentliche Bedeutung bei. Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee, wir kennen ja unser Ruderrevier und wie anfällig es für Wetter ist. In diesem ganz speziellen Fall hätten wir aber vielleicht auch noch mal prüfen sollen, ob der Mond wirklich schon um 21:34 Uhr aufgehen würde. Das jedenfalls war allgemeine Auffassung – und so legten wir um halb Zehn ab.
Wenn man zu Vollmond abends an der Reppiner Burg ablegt, darf man erwarten, dass der Herr Mond wenig später sein freundliches Antlitz über die Wipfel und die Zinnen der Burg herüberlugen lässt, dick und fett. Nun, wir waren da, unsere Boote waren ausgerichtet, die Luft war warm, Wolken weitgehend verzogen – es war alles klar. Nur der Mond. Also der: ging einfach nicht auf. Nicht um 21:34, und auch nicht zehn Minuten später. Und 20 Minuten später auch nicht. Vom Ufer aus betrachtet dürfte es so ausgesehen haben, dass die Besatzungen von drei trübe dümpelnden Ruderbooten wie paralysiert auf den Himmel über der Burg starrten – aber da war: nichts.
Während also die ziviler Abenddämmerung sich des Gewässers und der Wälder bemächtigte, entschlossen wir uns, schon mal loszurudern. Es musste 21:58 Uhr werden, bis die Möwen, die betont desinteressiert zwischen Kaninchen- und Ziegelwerder stumm vor sich hin trieben, verdutzt die Schnäbel in Richtung der drei Ruderboote wendeten, weil an Bord jedes einzelnen jemand rief „Da!“ – jeweils in einer Betonung, als würde vor unseren Augen ein klingonischer Bird of Prey seine Tarnvorrichtung abschalten.
Jedenfalls: Der Mond. Was soll ich sagen. Ein gigantischer oranger Kreis, ein riesiges Rund, das ganz gemächlich über den Wipfeln aufstieg, schimmernd, gleißend geradezu, irgendwie mächtig – seine warme Farbe schien die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ganz besonders eindrücklich widerzuspiegeln. Ich jedenfalls spürte unwillkürlich das Bedürfnis, mir graues Fell und mächtige Reißzähne wachsen zu lassen und laut rumzuheulen.
Kaum war er ganz aufgegangen, schien ein zartes Wolkenband das Schauspiel schon wieder beenden zu wollen. Aber erst danach gings richtig los: Über dem dünnen Wolkenstrich hatte der Mond freie Sicht aufs Wasser und wir wieder auf ihn. Eine feurige Lichtspur glühte auf den seichten Wellen und führte direkt auf uns zu. Vom Open-Air-Konzert auf der Freilichtbühne wehte der Wind bombastische Filmmusik von Hans Zimmer zu uns herüber – so in etwa entstehen Blockbuster. In Schwerin bekommt man sowas einfach so.
Inzwischen war es dunkel, abgesehen vom Mondlicht, ein paar beleuchteten Fahrwassertonnen, den Lichtern der Stadt und unseren weißen Rundumlichtern, mit denen Ruderboote bei Dunkelheit aufs Wasser gehen.
Nach viereinhalb Stunden waren wir wieder zurück am Steg. Die Fotos von unterwegs waren noch auf dem Wasser bereits in den Ruder-Chat verteilt worden. Und so schlossen wir die Hallentore mit dem sicheren Gefühl, dass es für uns ein besonders schöner Ruderabend war – und für den Mond ganz bestimmt auch.
Fahrtorganisation: Kirstin Pingel
Fotos: Andreas Wurm, Kirstin Pingel, Christian Kohlhof
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So nah kommen wir uns so schnell nicht wieder, also der Mond und die SRG. Bei der Mondscheinfahrt am 1. August hat der Erdtrabant zunächst auf sich warten lassen – und hat dann auf ganz besondere Weise entschädigt.
Dabei schien es zum Auftakt am Bootshaus zunächst, als würden wir uns in einer Debatte über die Zuverlässigkeit von Wetterapps und die Tendenz zur Schönwetter-Ruderei verlieren. Zum Glück kam es dann doch zum Äußersten und die Südwind, die Lieps und die Burgsee gingen mit elf Vollmondruderinnen und -ruderern aufs Wasser Richtung Reppiner Burg. Der geklinkerte Turm leuchtete in der Abendsonne und wies den Weg – und diese Szenerie schien den Eindruck zu erwecken, ein weiterer sonniger Sommertag würden seinem von Grillenzirpen erfüllten Ende entgegen gehen – so, als hätte es die satten Regenfälle der vergangenen Sommertage gar nicht gegeben.
Strömung, ruderisches Können und die Hoffnung auf ein Monderlebnis ließen uns wie Pfeile auf dem Weg ins Schwarze über den Innensee zischen. Weil der Sommer 2023 in MV nun mal so ist, wie er ist, offenbarte sich am Strand unterhalb der Reppiner Burg ein angenehmer Nebeneffekt: Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatten wir bei der Ankunft Wiese, Wellen und Wind ganz für uns allein.
Auf der SRG-blauen Picknickdecke entfaltete sich ein Wanderfahrten-Buffet der Extraklasse – zum Beispiel mit Bratwerk aus der eigenen Klops-Manufaktur. Wobei: „Klops“, das klingt so profan. Manfred bevorzugt den Begriff „Fleischpflanzerl“ – und das ist natürlich gerechtfertigt. Brot, Dipp, Tomaten und Brombeeren aus eigener Ernte und noch viel mehr leuchteten in der milden Abendsonne, währen die Silhouette aus Schloss und Dom am fernen Westufer einen Vorgeschmack darauf gab, was es an optischen Highlights zu erwarten geben dürfte. Unter dunklen Wolkenmonstern schimmerten tieforange Sonnenstrahlen zu uns hinüber.
Fast wäre es wieder passiert und wir wären in einer Diskussion versackt, ob gleich das schlimmste Unwetter aller Zeiten über uns hereinbrechen würde – oder ob die Wolke einfach ihrem einmal eingeschlagenen Weg folgt und einfach weiter weit von uns weg nach Bad Kleinen ziehen würde. Es wird deutlich: SRG-Ruderer messen den Angaben aus Wetterapps und Regenradar-Angeboten eine wesentliche Bedeutung bei. Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee, wir kennen ja unser Ruderrevier und wie anfällig es für Wetter ist. In diesem ganz speziellen Fall hätten wir aber vielleicht auch noch mal prüfen sollen, ob der Mond wirklich schon um 21:34 Uhr aufgehen würde. Das jedenfalls war allgemeine Auffassung – und so legten wir um halb Zehn ab.
Wenn man zu Vollmond abends an der Reppiner Burg ablegt, darf man erwarten, dass der Herr Mond wenig später sein freundliches Antlitz über die Wipfel und die Zinnen der Burg herüberlugen lässt, dick und fett. Nun, wir waren da, unsere Boote waren ausgerichtet, die Luft war warm, Wolken weitgehend verzogen – es war alles klar. Nur der Mond. Also der: ging einfach nicht auf. Nicht um 21:34, und auch nicht zehn Minuten später. Und 20 Minuten später auch nicht. Vom Ufer aus betrachtet dürfte es so ausgesehen haben, dass die Besatzungen von drei trübe dümpelnden Ruderbooten wie paralysiert auf den Himmel über der Burg starrten – aber da war: nichts.
Während also die ziviler Abenddämmerung sich des Gewässers und der Wälder bemächtigte, entschlossen wir uns, schon mal loszurudern. Es musste 21:58 Uhr werden, bis die Möwen, die betont desinteressiert zwischen Kaninchen- und Ziegelwerder stumm vor sich hin trieben, verdutzt die Schnäbel in Richtung der drei Ruderboote wendeten, weil an Bord jedes einzelnen jemand rief „Da!“ – jeweils in einer Betonung, als würde vor unseren Augen ein klingonischer Bird of Prey seine Tarnvorrichtung abschalten.
Jedenfalls: Der Mond. Was soll ich sagen. Ein gigantischer oranger Kreis, ein riesiges Rund, das ganz gemächlich über den Wipfeln aufstieg, schimmernd, gleißend geradezu, irgendwie mächtig – seine warme Farbe schien die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ganz besonders eindrücklich widerzuspiegeln. Ich jedenfalls spürte unwillkürlich das Bedürfnis, mir graues Fell und mächtige Reißzähne wachsen zu lassen und laut rumzuheulen.
Kaum war er ganz aufgegangen, schien ein zartes Wolkenband das Schauspiel schon wieder beenden zu wollen. Aber erst danach gings richtig los: Über dem dünnen Wolkenstrich hatte der Mond freie Sicht aufs Wasser und wir wieder auf ihn. Eine feurige Lichtspur glühte auf den seichten Wellen und führte direkt auf uns zu. Vom Open-Air-Konzert auf der Freilichtbühne wehte der Wind bombastische Filmmusik von Hans Zimmer zu uns herüber – so in etwa entstehen Blockbuster. In Schwerin bekommt man sowas einfach so.
Inzwischen war es dunkel, abgesehen vom Mondlicht, ein paar beleuchteten Fahrwassertonnen, den Lichtern der Stadt und unseren weißen Rundumlichtern, mit denen Ruderboote bei Dunkelheit aufs Wasser gehen.
Nach viereinhalb Stunden waren wir wieder zurück am Steg. Die Fotos von unterwegs waren noch auf dem Wasser bereits in den Ruder-Chat verteilt worden. Und so schlossen wir die Hallentore mit dem sicheren Gefühl, dass es für uns ein besonders schöner Ruderabend war – und für den Mond ganz bestimmt auch.
Fahrtorganisation: Kirstin Pingel
Fotos: Andreas Wurm, Kirstin Pingel, Christian Kohlhof
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Sehr schöne Reportage, Christian!
Wenn ich nicht teilgenommen hätte, würde ich es, nachdem ich deine Berichterstattung gelesen hätte, bedauern nicht mitgenommen zu sein.
Sehr schöne Reportage, Christian!
Wenn ich nicht teilgenommen hätte, würde ich es, nachdem ich deine Berichterstattung gelesen hätte, bedauern nicht mitgenommen zu sein.